Außerfernbahn: Infrastruktur

Die Folgen des Gleisrückbaus

Zeitungsberichte vom November 2003 zeigen deutlich, welche Folgen für die Bürger politische Fehlentscheidungen haben können. Die Rückbaumaßnahmen im Garmischer Bahnhof vom letzten Jahr haben - wie von PRO BAHN vorhergesagt - dazu geführt, dass die Flexibilität des Betriebsablaufs erheblich eingeengt wird.

Trotz der offensichtlich negativen Folgen gehen die Abbaupläne weiter: jetzt soll Oberau an die Reihe kommen.

PRO BAHN hat die Diskussion vom November und Dezember 2003 für Sie dokumentiert.

Ruhestörung in der Frühe Am 20. November 2003 berichtet das "Garmisch-Partenkirchner Tagblatt" (auszugsweise zitiert):

Morgens um fünf ist die Welt nicht mehr in Ordnung
Güterzug erzürnt Anwohner

VON FERDINAND TROMMSDORFF

Mittenwald - Frühmorgens um 4.30 Uhr ist in Mittenwald die Welt noch in Ordnung. Dann allerdings donnert mit Mordsgetöse ein Güterzug aus Tirol durch den Isartalort. Die um den Schlaf gebrachten Anwohner und Kurgäste sind erzürnt. Inzwischen brachte auch Klaus Zwerger den "Störenfried" im Marktgemeinderat zur Sprache.

Der Zug poltert zwischen 4.30 und 5 Uhr durch Mittenwald. [...]

Gemeinderat Zwerger kennt das Problem "schon lange". Seine Kollegen wies er nun auf den Tiroler "Donnerzug" hin. Einhelliger Tenor der Volksvertretung: Die Marktgemeinde wird nun mit der Deutschen Bahn Kontakt aufnehmen.

Doch bei allem guten Willen, die DB allein wird`s wohl nicht richten können. Da bedarf es schon der Hilfe aus dem Nachbarland, um den Fahrplan für den Güterzug, der von Richtung Seefeld kommend über Garmisch-Partenkirchen ins Außerfern rollt, zu ändern.

Restlos bedient mit der österreichischen Bahn (ÖBB) ist Markus Tschoner vom Tourismusverband Seefeld. "Wir werden von Pontius zu Pilatus geschickt." Schon seit einiger Zeit versuchen die Tiroler, etwas gegen die morgendliche Lärmbelästigung zu unternehmen. In Seefeld fährt der Güterzug nämlich noch etwas früher durch den Ort als in Mittenwald. "Da reißt es jeden aus dem Bett raus", versichert Tschoner. Die Beschwerden von Gästen hätten nicht lange auf sich warten lassen. Die Ausfallkosten seien hoch. Einige Vermieter würden inzwischen Zimmer mit Blickrichtung Bahn in der Hochsaison gar nicht mehr vermieten, nur um Reklamationen zu vermeiden. Vor kurzem hat man zu einer Unterschriftenaktion aufgerufen, um die Klagen zu bündeln. Jetzt will man sich direkt mit den Unternehmen in Verbindung setzen, die die Güter mit der Bahn transportieren lassen, um so vielleicht eine Lösung zu finden.

Tschoner glaubt mittlerweile, den Grund für den morgendlichen Horror zu kennen. Beim Rückbau der Oberleitungen im Außerfern lotste die Bahn den Zug über Garmisch-Partenkirchen. Nachdem die Arbeiten abgeschlossen waren, sollten die Züge das Außerfern wieder von der Tiroler Seite anfahren. Was im Falle des Güterzugs nicht geschehen ist.

Am 25. November 2003 berichtet das "Garmisch-Partenkirchner Tagblatt" erneut (auszugsweise zitiert):

Schlechte Nachricht aus Innsbruck "Donnerzug" weiterhin unterwegs VON CHRISTOF SCHNÜRER

Mittenwald/Innsbruck - Der Tiroler "Donnerzug" (wir berichteten) wird den Mittenwaldern und Seefeldern auch weiterhin frühmorgens den Schlaf rauben. Gestern bestätigte die "Rail Cargo Austria" gegenüber dem Tagblatt, dass aus "marktwirtschaftlichen Gründen" alles beim Alten bleibe. Damit will sich die Marktgemeinde jedoch nicht abfinden. Nun soll mit der Deutschen Bahn ein ernstes Wort gesprochen werden.

Und die erscheint am 3. Dezember in Person des neuen Marketing-Ansprechpartners Bernd Claus in Mittenwald. [...] Nun also soll auch noch der leidige Güterzug aus Tirol, der zwischen 4.30 und 5 Uhr auf seinem Weg von Hall zum Zementwerk nach Vils durch das Obere Isartal mit Mordsgetöse donnert, auf die Tagesordnung gesetzt werden.

"Ich kann beim besten Willen nichts tun"

Von der DB nämlich hat die Güterverkehr-Abteilung der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB), "Rail Cargo Austria", die Gleise für einen stattlichen Betrag angemietet. Eine genaue Summe wollte der zuständige Sachbearbeiter der ÖBB in Innsbruck, Kurt Lentsch, freilich nicht nennen. Ansonsten hat er alles andere als gute Nachrichten für den um den Schlaf gebrachten Mittenwalder Vermieter oder Gast. "Ich verstehe deren Ärger, aber ich kann beim besten Willen nichts tun." Aus wirtschaftlichen Gründen müsse der Zug samt entsprechender Tonnage weiter über deutsches Gleis Richtung Außerfern fahren.

Güterverkehr richtet sich nach DB-Fahrplan

Bei der Uhrzeit wiederum müsse man sich an den Ein-Stunden-Takt der Personenzüge der DB richten. Gütertransport sei nur möglich, wenn diese nicht im Einsatz sind - also spätabends oder eben frühmorgens. Doch die erste Lösung komme nicht in Einklang mit den Kunden aus Vils und Reutte.

Wohl noch längere Zeit also muss die Fremdenverkehrsgemeinde Mittenwald mit der "massiven Ruhestörung", so Kurdirektor Klaus Ronge, leben. Beschwerden in der Tourist-Information seitens mancher aufgebrachter Gäste über die frühmorgendliche Störung werden also noch geraume Zeit zum täglichen Brot gehören. Wobei man froh sei, betont Ronge, dass ab Dezember wieder stündlich ein Zug in Mittenwald hält - Personenzug, versteht sich.

Aufgrund der Pressemeldungen schreibt Edmund Lauterbach an Herrn Tschoner (auszugsweise zitiert):

Sehr geehrter Herr Tschoner.

In der Garmischer Ausgabe des Münchner Merkurs (Garmisch-Partenkirchner Tagblatt) vom 20.11.03 ist unter dem Titel "Morgens um fünf ist die Welt nicht mehr in Ordnung" zu lesen: "Tschoner glaubt mittlerweile, den Grund für den morgendlichen Horror zu kennen. Beim Rückbau der Oberleitungen im Außerfern lotste die Bahn den Zug über Garmisch-Partenkirchen. Nachdem die Arbeiten abgeschlossen waren, sollten die Züge das Außerfern wieder von der Tiroler Seite anfahren. Was im Falle des Güterzugs nicht geschehen ist."

Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß es keinerlei innerösterreichische Gleisverbindung zwischen dem Außerfern und dem Rest von Tirol gibt. Die Güterzüge verkehrten immer via Garmisch-Partenkirchen, da die Strecke über Kempten einen viel größeren Umweg bedeutet und nie elektrifiziert war. Ein LKW-Transport kommt aus Gründen der Umwelt und der Topographie sicher nicht in Frage. An der grundsätzlichen Möglichkeit des Bahntransports hängt auch die Existenz der beteiligten Unternehmen.

Meines Wissens wurden im Zeitraum der fehlenden Oberleitung längere Güterzüge in zwei kürzere aufgeteilt, da eine Diesellok für das Gewicht und die Steigung nicht ausreichte. Wie die Lage momentan ist, ob im Laufe des Vormittags ein weiterer Güterzug verkehrt, weiß ich nicht.

Ein Hauptproblem bei allen Zügen über Garmisch (auch Personenzüge) ist, dass die Deutsche Bahn AG die Gleisanlagen so stark "zurückgebaut" hat, dass ein flexibler Betrieb nicht mehr möglich ist. Die frühe Zeitlage des betreffenden Güterzuges könnte also auch daran liegen, dass in Garmisch die Möglichkeiten zum Rangieren und zum Abstellen der Züge zu stark eingeschränkt wurden.

Ich sende diese Email in Kopie an die Marktgemeinde Mittenwald, deren Kurverwaltung, das Zementwerk Schretter in Vils sowie an den Merkur / Garmisch-Partenkirchner Tagblatt.

Mit freundlichen Grüßen,
Edmund Lauterbach

Schreiben von PRO BAHN Oberbayern an das "Garmisch-Partenkirchner Tagblatt" (auszugsweise zitiert):

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Vorsitzender vom Fahrgastverband PRO BAHN Oberbayern beobachte ich die Entwicklung der Eisenbahn im Werdenfels-Takt sehr aufmerksam. Wie ich aktuell nun erfahren habe, will die DB Netz AG in Kürze im Bahnhof Oberau die elektrische Fahrleitung über Gleis 1 entfernen und in der Folge auch das Gleis abbauen. Wenngleich dieses Gleis zurzeit nur sporadisch genutzt wird, müssen wir von PRO BAHN vor solchen Maßnahmen ganz deutlich warnen: Die Kapazität der Strecke ist seit dem Rückbau des Bahnhofs Garmisch von 9 auf 4 Durchfahrtgleise stark eingeschränkt worden. Das zusätzliche Gleis in Oberau könnte daher als Ausweich- ober Abstellgleis dienen, beispielsweise für Sonderverkehre. Denkbar ist auch eine Wiederaufnahme des Güterverkehrs durch einen privaten Anbieter, wie das schon an vielen Strecken in Deutschland der Fall ist. Hierfür werden zusätzliche Gleise benötigt, die die DBAG nicht einplant.

Die Beschwerden über den zu nächtlicher Zeit durch Mittenwald und Garmisch verkehrenden Güterzug Innsbruck - Reutte bestätigen uns hier: Vor dem drastischen Rückbau des Bahnhofs Garmisch-Partenkirchen fuhr der Güterzug erheblich später. Jetzt muss er vor Beginn des Berufsverkehrs durchgeschleust werden. Da der Zug im Bahnhof Garmisch die Fahrtrichtung wechselt, müssen die Lokomotiven an das andere Ende des Zuges umgesetzt werden. Dieses Rangiermanöver beansprucht 2 Durchfahrgleise.

Leider haben unsere Warnungen, unter anderem in einer Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren, die allen Anliegergemeinden zugestellt wurde, den Rückbau nicht verhindern können. Die DBAG ging damals davon aus, dass die Ausserfernbahn stillgelegt wird. Im heutigen Ausbauzustand dürfte es auch kaum noch möglich sein, zu Großveranstaltungen in Garmisch-Partenkirchen, beispielsweise der Ski-WM, mehr als einen Sonderzug verkehren zu lassen.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen unter Tel. (0881) 638131 gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Norbert Moy, PRO BAHN Oberbayern e.V.

zur Übersicht "Historie der Außerfernbahn (2003)"