MVG-Leistungsprogramm 2023/24

Stellungnahme Fahrgastverband PRO BAHN, April 2023

Die nachfolgende Stellungnahme ist auch als pdf-Datei erhältlich.

Rahmenbedingungen: Klimaneutralität und Verkehrswende

Die Stadt München hat sich Klimaneutralität und die Verkehrswende verbindlich vorgenommen. Zur Klimaneutralität ist Deutschland auch aufgrund des Grundrechtsschutzes sowie bindender internationaler Verträge verpflichtet. Bis 2030 ist ein Mindestanteil von 30 Prozent für den Öffentlichen Verkehr laut Nahverkehrsplan vorgegeben. Dies ist eine Steigerung um 6 Prozentpunkte gegenüber dem aktuellen Anteil von 24 Prozent. Bis 2035 soll die Klimaneutralität erreicht werden.

Diese Ziele sind – noch – erreichbar. Die konsequente Verbesserung des Angebots im Öffentlichen Verkehr ist jedoch Voraussetzung. Dafür ist ein Hochlauf über mehrere Jahre erforderlich. Auch das laufende Bevölkerungswachstum im gesamten Stadtgebiet erfordert Angebotsverbesserungen.

Mit dem 49-Euro-Ticket ist zudem mehr Nachfrage zu erwarten, gerade auch im Freizeitverkehr. Diesen Impuls gilt es aufzugreifen, und die höhere Nachfrage zu verstetigen anstelle durch ein unzureichendes Angebot abzuschrecken.

Leider verfehlt jedoch das vorliegende Leistungsprogramm diese Anforderungen. Beschrieben wird ein faktischer Stillstand beim Angebot mit wenigen einzelnen Anpassungen. Die nötigen Hebel für die Verkehrswende werden nicht angesetzt.

Die Aussage »Die Ziele zur Verkehrswende … werden langfristig weiterverfolgt.« lässt ein fatales Verschieben von Zielen, die schon jetzt sehr dringlich sind, auf den Sankt-Nimmerleins-Tag befürchten. Dies widerspricht den gültigen Stadtratsbeschlüssen zum Nahverkehrsplan und der Mobilitätsstrategie, sowie den verbindlichen Vorgaben zur Klimaneutralität. Bei der Kommunalwahl vor knapp drei Jahren stand das Thema »Verkehr« im Mittelpunkt des Wahlkampfes, die Bürger haben sich eindeutig für die Priorität des Umweltverbunds ausgesprochen. Das muss jetzt auch umgesetzt werden, unter anderem im Leistungsprogramm. Mit dem Anspruch der Rathauskoalition zur Verkehrswende sowie die »ökologischste Großstadt Europas« zu werden, dürfen die Ziele nicht aufgeweicht oder verschoben werden.

Die mit Abstand meisten neue Fahrtmöglichkeiten werden durch das neue Schnellbusangebot des MVV erzeugt, das wir sehr begrüßen. Sich aber nur darauf zu verlassen, ist ambitionslos.

Es ist mittlerweile unbestritten, dass der Öffentliche Nahverkehr als wichtige Infrastruktur eine solide öffentliche Finanzierung braucht. Das Zerrbild der ausschließlichen Nutzerfinanzierung aus der Zeit der Neoliberalisierung ist gescheitert. Wir begrüßen, dass letztes Jahr auf politischer Ebene eine Lösung gefunden wurde, die zumindest den Kahlschlag beim Angebot vermieden hat. Das ist aber für die Verkehrswende zu wenig. Wenn das Geld knapp ist, dann müssen vorrangig die hier beschrieben besonders wirksamen Maßnahmen finanziert werden. Wenn hingegen die Stadt neue U-Bahn-Strecken ohne Bundeszuschüsse bauen kann, dann ist nicht nachvollziehbar, wenn beim Fahrplanangebot das Geld fehlt. Für die U5 nach Freiham plus dem BMW-Tunnel wird ohne Zuschüsse jährlich mit Zins und Tilgung ein Betrag in der Größenordnung von 100 Millionen Euro fällig. Alleine diese beiden Bauten kosten damit jedes Jahr in einer vergleichbaren Größenordnung wie das gesamte Angebot der MVG.

Nötige weitere Maßnahmen über die Vorlage hinaus

Konkret fehlt unter anderem:

Irreführend sind die Hinweise auf die laufende Inbetriebnahme neuer Fahrzeuge bei U-Bahn und Tram. Nicht nur wurden diese Fahrzeuge bereits vor Jahren bestellt, und die Übernahme ist daher auch ohne Anhörung selbstverständlich. Vielmehr ist vor allem bei der Tram sicherzustellen, dass die neuen Fahrzeuge zusätzlich in Betrieb genommen werden und nicht nur aufgrund des Mangels an Nachtabstellmöglichkeiten rein ein Ersatz bestehender Niederflur-Fahrzeuge werden. Denn sonst werden die neuen Fahrzeuge nicht zum nötigen Kapazitätszuwachs beitragen, und nach Eröffnung der neuen Tram-Strecken in den Jahren ab 2025 werden dann doch wieder Fahrzeuge fehlen.

Bei den Sanierungsmaßnahmen für die Infrastruktur (Seite 10) ist darauf zu achten, dass das Angebot für die Fahrgäste nachvollziehbar und nutzbar bleibt. Eine Situation wie im Bereich Deutsches Museum mit jahrelangen Sperrungen darf sich nicht wiederholen.

Da ein steigender Sanierungsbedarf besteht, wäre es sinnvoll, eine rollierende mehrjährige Baustellenvorschau zu veröffentlichen (d.h.: welche Baustellen sind in den nächsten fünf Jahren etwa zu erwarten, mit abnehmender Präzision je weiter die Baumaßnahmen in Zukunft erfolgen) und auch auf den Webseiten der MVG gut auffindbar zu veröffentlichen.

In anderen Städten selbstverständlich etablierte Konzepte wie halbseitige Sanierung mit eingleisiger Umfahrung per Kletter-/Bauweichen sind in München zu erproben, um das Verkehrsmittel Tram auch während allfälliger Sanierungsphasen zukunftsfähig aufzustellen und den möglichst durchgehenden Betrieb zu erlauben. Auf besonders wichtigen Strecken können auch entsprechende Weichen dauerhaft eingebaut bleiben, um einfacher den Betrieb aufrecht erhalten zu können.

Konkrete Maßnahmen

Zu den konkreten Maßnahmen:

Die Verbesserungen bei der U5 sowie beim Bus X80, 55 und 135 begrüßen wir, ebenso die neue Haltestelle in Lochhausen.

Die Anpassungen in Freiham (Fahrplanangebot, neue Wendeschleife Hörweg, Mahatma-Ghandi-Platz/Amalie-Nacken-Straße) sind sinnvoll, jedoch nicht ausreichend. Vielmehr braucht es als gutes Angebot auch während der Aufsiedlung von Freiham so schnell wie möglich eine gute Anbindung Richtung Münchner Innenstadt. Aufgrund des Versagens des Freistaats Bayern beim S-Bahn-Ausbau und insbesondere der S4 steht die S-Bahn leider nicht zur Verfügung. Die U5 wird ebenso nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen. Als einzige Option ist daher der Schnellbus X5 von Aubing über die Aubinger Allee und Mahatma-Ghandi-Platz zur Autobahn und dort über eine bevorrechtigte Spur zur U-Bahn-Station Westendstraße möglich. Hierfür ist eine kurzfristige Perspektive nötig. Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass in Freiham ein aufs Auto fokussierter Stadtteil entsteht, da die Straßeninfrastruktur und mehrere Autobahnanschlüsse hochwertig und früh zur Verfügung stehen, hingegen der Anschluss an den Öffentlichen Nahverkehr viel zu spät und schlecht erfolgt.

Die Schulmaßnahmen für 2024 begrüßen wir. Bei der Linie 182 würden wir begrüßen, wenn die Tram 23 möglichst bald verlängert wird und dann diese Linie ersetzt.

Die Expressbuslinien des MVVs sind sehr sinnvolle neue Verbindungen. Allerdings sollte der Schnellbus X204 in Sendling nicht kurz vor der U6 und der S7 enden, sondern Umsteigen zu beiden Schnellbahnlinien ermöglichen. Damit wird zusätzliches Fahrgastpotenzial erschlossen (z.B. Klinikum Großhadern) und die Buslinie via S7 auch mit weiteren Landkreisteilen verknüpft.

Ein Angebot auch sonntags wie beim Expressbusring um München würde die neuen Buslinien und damit die Verbindung zwischen Stadt und Umland spürbar attraktiver machen.

Aus städtischer Sicht ist zudem ein 10-Minuten-Takt ähnlich der städtischen Metrobusse anzustreben.

Diese Expressbuslinien kompensieren einen Teil der Defizite des Freistaats Bayern beim S-Bahn-Ausbau, können diese aber nicht ausreichend ausgleichen. Eine Wiederaufnahme des konsequenten S-Bahn-Ausbaus bleibt unerlässlich, ebenso wie eine Taktverdichtung. Aus Sicht der Stadt München muss das Ziel bei der S-Bahn »Takt 10 bis 10« sowie durchgehender Nachtverkehr im Stundentakt lauten. Diese Ziele müssen auch vernehmlich von der Stadt beim Freistaat Bayern eingefordert werden.

Verbesserung der Verkehre, die die Stadtgrenze überqueren, sind eine wichtige Voraussetzung für Verkehrswende und für die Zukunft des Großraums München als attraktive Region.